Pressemitteilung von : Die geistlichen Wurzeln stärken, um der Sicherheitslogik durch eine Friedenslogik zu begegnen.

Das europäische Friedensnetzwerk Church and Peace erörtert, was es heißt, gegenwärtig in Europa „sicher zu wohnen“.

(Schöffengrund, 15. Juni 2016) Das Friedensnetzwerk Church and Peace hat sein Engagement für eine wirksame Sicherheit durch eine in Friedensspiritualität gegründete Gewaltfreiheit bestärkt. Die diesjährige Mitgliederversammlung (MV) fand vom 10. - 12. Juni in Loisy bei Paris statt, gefolgt von einer Mahnwache vor der Waffenmesse Eurosatory in den darauf folgenden Tagen.
Das europäische ökumenische Netzwerk konnte bei der Planung im vergangenen Jahr nicht voraussehen, wie relevant das gewählte Thema - ".. und sie werden sicher wohnen" aus dem Buch Micha - und der Tagungsort - nur Kilometer entfernt vom Stade de France, wo drei Selbstmordattentäter im vorigen November eine Tragödie auslösen wollten - sein würden, sagte die Vorsitzende Antje Heider- Rottwilm in ihrer Begrüßung.

Die Frage der Sicherheit war Dreh- und Angelpunkt in Frankreich und an vielen Orten unterwegs, die die Mitglieder auf ihrer Reise zur MV passiert hatten. Aber Frieden und Sicherheit werden oft verwechselt, stellte sie fest und zitierte Dietrich Bonhoeffer mit seinen Worten aus dem Jahr 1934. Bonhoeffers Gedanke "Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit" war die treffende Eröffnung für eine Tagung, die inhaltliche Arbeit mit Vereinsanliegen verband und mit Demonstrationen bei der Eurosatory-Waffenmesse in Paris endete.

Sich einsetzen für tragfähige Sicherheit
Die mehr als 80 anwesenden Mitglieder des Netzwerks aus vierzehn europäischen Ländern - darunter Albanien, Kosovo/a, Kroatien, Mazedonien und Serbien - reflektierten darüber, welche Bedeutung das Thema Sicherheit in den letzten Monaten für ihr Leben und ihre Arbeit hatte, und tauschten sich über die Erfahrungen mit gewaltfreien Reaktionen aus.

Dieser Austausch reichte von theologischen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Sprache und Politik und dem Engagement für den Paradigmenwechsel zum Konzept des gerechten Friedens auf der institutionellen Ebene der Kirche bis zur Mitwirkung am interreligiösen Dialog und Förderung von christlich-muslimischer Friedensarbeit. Mitglieder berichteten von ihrem Engagement beim Empfang von Flüchtlingen, in der Auseinandersetzung mit Rassismus und Ausgrenzung, um Extremismus zu verhindern, und für ein Ende des weiter anwachsenden Waffenhandels, der die Gewalt anheizt und Menschen dazu zwingt, in anderen Ländern Schutz zu suchen.
Besonders beeindruckend war es, von der Entscheidung des belgischen Friedensdienstes Sortir de la Violence zu hören. Einen Tag nach den Terroranschlägen luden sie zu dem seit langem in Brüssel geplanten Trainingskurs in gewaltfreier Aktion ein, und trotz der Stilllegung des öffentlichen Verkehrs kamen 120 Menschen.

Die MV unterstützte eine ökumenische Initiative, deren Ziel die dringende Forderung an die internationale Gemeinschaft ist, auf dem Weg zum gerechten Frieden zwei konkrete Maßnahmen zu ergreifen: Krieg und bewaffnete Konflikte für illegal zu erklären und einen zivilen Friedensdienst als Alternative zu militärischer Intervention zu entwickeln.

Des Weiteren ermutigte die Versammlung die Mitglieder, gegenüber ihren jeweiligen Regierungen die Weigerung zur Zahlung von Steuern für militärische Zwecke (Kriegssteuerverweigerung) zu erklären und damit den 100. Jahrestag der erstmaligen Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung zu unterstreichen.

Als neues korporatives bzw. assoziiertes Mitglied wurde das Täuferische Forum für Frieden und Gerechtigkeit aus der Schweiz und die Evangelische Landeskirche in Baden, Deutschland, begrüßt, dazu ein Einzelmitglied aus Novi Sad, Serbien. Die MV wählte Vjollca Racaj von der Fellowship of the Lord's People in Pristina, Kosovo/a, als Vertreterin der Region Südosteuropa in den Vorstand.

Sicher leben
Für Church and Peace sind Fragen zu Sicherheit nichts Neues, erinnerte Antje Heider-Rottwilm.
"In vielen Konferenzen haben wir das Konzept der 'gemeinsamen menschlichen Sicherheit' diskutiert und die Kirchen aufgefordert, theologische Überlegungen und praktikable Alternativen zur militärischen Intervention anzubieten in Bezug auf die so genannte 'Schutzverantwortung' für Zivilisten, die von Völkermord und ähnlicher Gewalt bedroht sind."

Die Hauptrednerin Dr. Christine Schweitzer erläuterte, dass ein Paradigmenwechsel der internationalen Gemeinschaft von der vorherrschenden Sicherheitslogik zu einer Friedenslogik, die sich in der Verpflichtung zur gewaltfreien Aktion ausdrückt, notwendig sei. Gewaltfreiheit funktioniere kurzfristig nicht in jedem Fall, jedoch gebe es viele Beispiele für die erfolgreichen Auswirkungen gewaltfreier Aktion, so die Geschäftsführerin des in Deutschland ansässigen Bund für soziale Verteidigung, und hob besonders die Arbeit von Peace Brigades International und Nonviolent Peaceforce hervor.
Letztlich könne es nur Sicherheit geben, wenn Sicherheit allen gilt, sie auf Gerechtigkeit basiert und durch Gewaltfreiheit erreicht wird, bekräftigte sie.

Spirituelle Sicherheit
Maria Biedrawa vom französischen Zweig des Internationalen Versöhnungsbunds sprach vom biblischen Modell der emotionalen und spirituellen Sicherheit.
In Sicherheit zu leben, wie Ezechiel versprochen hat (34:27-28), bedeutet, einen Weg zur Verwandlung des Ohnmachtsgefühls zu finden, das Friedensstifter zu lähmen droht, wenn der einzige Ausweg aus der Sackgasse der Verzweiflung Gewalt zu sein scheint.

Die Fähigkeit, anderen Sicherheit zu geben, geht einher mit unserer Fähigkeit, die eigene Hilflosigkeit anzunehmen, "unsere Ohnmacht und unsere Grenzen, die Bestürzung darüber zu akzeptieren", so die Trainerin für Gewaltfreiheit, die FriedensstifterInnen südlich der Sahara in Afrika begleitet.
Die Erkenntnis, dass Sicherheit letztlich allein in Gott zu finden ist, öffnet die Tür zu einem "Heiligen Raum", wo Gewaltfreiheit entstehen und echte Beziehungen gebildet werden können.

Geistliche Wurzeln stärken
Christliche FriedensstifterInnen müssen geistlich verwurzelt sein, damit sie gewaltfrei handeln können, betonte Dr. Neal Blough, der am Evangelischen Seminar Vaux-sur-Seine, am Theologischen Seminar Bienenberg und der Katholischen Universität von Paris lehrt, in seiner Predigt, in der er Matthäus 5:38-45 und Epheser 6:13-18 auslegte.

Widerstanden werden müsse nicht Menschen, sondern den "Kräften des Bösen", die sich in Strukturen und in Beziehungen manifestieren. Das Leben bleibt ein Kampf trotz des Sieges Christi über diese Kräfte, aber die Waffen für den Widerstand der Kirchen sind nicht auf der Eurosatory zu finden. Stattdessen sind sie - wie Paulus den Christen in Ephesus sagt - das Gebet, der Glaube, die Wahrheit, die Gerechtigkeit und das Evangelium des Friedens.

"Geistliche Disziplin zu praktizieren und zu entwickeln, das ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit in einer Welt, in der keine Sicherheit in Sicht ist", sagte Dr. Blough. Um unserem Mangel an Sicherheit zu begegnen, müssen wir tiefe geistliche Wurzeln bilden und Vertrauen entwickeln
Die Kirche ist berufen, eine Schule des Friedens, der Vergebung und der Versöhnung zu sein, sagte er. Friedensgemeinschaften wie die im Church and Peace-Netzwerk sind wichtige Orte der Praxis und Ausbildung dafür, diese geistlichen Wurzeln zu stärken.

Im Anschluss an die Tagung setzten etwa 35 Mitglieder die Erkenntnisse der MV direkt um. Sie trafen sich in Paris mit einer ökumenischen Aktionsgruppe zu einem gewaltfreien Training und ökumenischen Abendgebet, um sich auf die Mahnwache während der internationalen Waffenmesse Eurosatory vorzubereiten. Bei Aktionen vor der Pariser Börse und vor dem Eingang zum Messegelände kam es zu erstaunlich vielen Kontakten und Gesprächen über ein gewaltfreies Konzept der Sicherheit, sowohl mit PassantInnen wie mit den Menschen, für die die Messe begehrter Umschlagplatz für die neuesten Technologien und Produkte tödlicher Waffen ist.

Texte, Predigt und Bilder sind in Kürze auf der Website www.church-and-peace.org zu finden.

Kontakt: OKRin i.R. Antje Heider-Rottwilm: +49 172 5162 799

Internationale Geschäftsstelle Ringstr. 14 D-35641 Schöffengrund Tel: +49 (0)6445 - 5588, Fax: - 5070
E-mail: intloffice [aet] church-and-peace.org www.church-and-peace.org
 

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