Pressemitteilung der EAK: Rüstungskonversion wieder stärker in den Blick nehmen

Die Rüstungskonversion wieder stärker in den Blick nehmen, das wollte die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) mit ihrem Studientag „Rüstungspolitik: Vernichtung von Arbeitsplätzen – Vernichtung von Menschenleben“ in Kassel. Und einen Tag lang wurde kontrovers diskutiert, nicht nur allein über Rüstungskonversion, sondern auch über Rüstungsexporte und Rüstungspolitik.

„Es hat sich bei diesem Studientag gezeigt, wie unterschiedlich die Sichtweisen bei diesem Thema sind“, bekannte Dr. Christoph Münchow, der EAK-Bundesvorsitzende. Darum sei es wichtig, dass diese in Kassel geführte Diskussion fortgesetzt werde. „Und dies ohne Denkverbote, ohne Scheuklappen und mit klaren Standpunkten“, forderte er. Denn: „Das müssen wir uns auch zumuten.“

Nicht ohne Grund war Kassel Schauplatz des Studientages. In der hessischen Stadt sind mehrere Rüstungsunternehmen zu Hause. Dafür stehen die Namen Henschel und Wegmann. Die Henschel-Werke, 1810 gegründet, produzierten schon früh Rüstungsgüter und sind heute Teil des Rheinmetall-Konzerns. Und Wegmann, 1882 gegründet, spezialisierte sich ebenfalls früh auf militärische Fahrzeuge. Das Unternehmen schloss sich mit Krauss-Maffei 1999 zu Krauss-Maffei Wegmann (KMW) zusammen. „Kassel ist ein bedeutender Standort der Rüstungsindustrie“, betonte der Kasseler Rechtsanwalt Michael Goldmann, der Mitglied der EAK ist.

Volkswirtschaftlich spiele die Rüstungsindustrie allerdings lediglich eine geringe Rolle, verdeutlichte Otfried Nassauer, der Direktor des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS). „Die deutsche Rüstungsindustrie ist zu groß und auch zu klein. Zu groß, um den begrenzten Bedarf der Bundeswehr zu decken, aber zu klein, um alles zu liefern“, so Nassauer. Darum sei dieser Industriezweig stark exportabhängig, was einen starken Exportdruck erzeuge, während die Inlandsnachfrage nicht ausreiche, machte er deutlich. Vor diesem Hintergrund zu einer Konversion zu kommen, sei schwerer als man denke. „Eine Mischung aus einer Europäisierung der Rüstung in kleinem Rahmen verbunden mit einer Umstrukturierung könnte hier eine notwendige Anpassung auslösen“, glaubt Nassauer.

Es gibt einige Beispiele für Rüstungskonversion. In Bremen wurde der Versuch gemacht, bei den Vereinten Flugbetriebe Werken (VFW), später MBB, nach dem Auslaufen der Tornado-Produktion und den schleppenden Verkäufen beim Airbus eine Konversion zu erreichen. Gewerkschafter, Parteien, Kirchen, Arbeitgeber, zivilgesellschaftliche Gruppen und Wissenschaft erarbeiteten gemeinsam Überlegungen für Alternativen, ein Konversionsprogramm wurde aufgelegt. Doch nach 25 Jahren auch die Ernüchterung: „Die Liegenschaftskonversion führte zum Erfolg, doch in der Rüstungsindustrie selbst hat es keine nachhaltige Konversion gegeben“, so Manfred Nieft von der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion.

Auch in der württembergischen Landeskirche wird über Rüstungskonversion nachgedacht. Hier gibt es seit drei Jahren einen Prozess, bei dem Gespräche zwischen Rüstungsunternehmen, Beschäftigten, Politik und Gesellschaft geführt werden. Hier soll es nächstes Jahr zu ersten Vorlagen kommen. Ein Problem, dass sich auch hier zeigte, war die Zurückhaltung gerade auch aus den Gewerkschaften aus Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. „Für viele Gewerkschafter ist daher Konversion kein Thema“, betonte Otfried Nassauer.

„Wenn beide Rüstungsbetriebe in Kassel schließen müssten, wäre das keine Katastrophe, die regionale Wirtschaft würde das verkraften“, meinte José Pinto von der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeine. Aber er gab auch zu bedenken: „Warum sollte man ein erfolgreiches Unternehmensmodell aufgeben?“ Rüstung sei eine politische Frage, Konversion sei derzeit kein Thema. Wenn die Politik entscheiden würde, dass Rüstung eingestellt werden sollte, dann würde Konversion in den Blick treten, betonte er.

„Rüstungskonversion ist kein totes Thema, sondern muss neu betrachtet werden“, entgegnete Boris Mijatovic, Sprecher der Kasseler Grünen. Allerdings könne das nicht losgelöst von den Exporten betrachtet werden. „Rüstung ist kein Wirtschaftsgut, sondern Thema der Außenpolitik“, forderte er. Und Frank Skischuss vom Kasseler Friedensforum war der Überzeugung, dass es gerade auch Aufgabe der Friedensbewegung sei, hier Druck zu machen und Staat wie Wirtschaft dazu zu zwingen, die Rüstung aufzugeben.

„Wir brauchen die Rüstung. Dass wir hier 70 Jahre in Frieden leben, haben wir auch der Rüstung zu verdanken“, machte dagegen der Kasseler Diplom-Physiker Martin Bräutigam deutlich. Durch die Waffen würden auch Freiheit und Demokratie in Deutschland gesichert. Verständnis habe er dagegen für die Kritik an den Rüstungsexporten.

„Es ist ein kontroverses Thema, das hat dieser Studientag deutlich gemacht“, meinte Dr. Christoph Münchow. Darum sei es wichtig, an dieser Frage dranzubleiben, auch als Kirche. „Denn dann kann das Bibelwort von den Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden, auch Wirklichkeit werden.“

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