Offener Brief zur Ukraine-Krise: Kurs halten und keine Waffen liefern

Bundeskanzler
Herrn Olaf Scholz
Willy-Brandt-Str. 1
10557 Berlin

Bundesministerin des Auswärtigen
Frau Annalena Baerbock
11013 Berlin

Bundesminister der Finanzen
Herrn Christian Lindner
11016 Berlin

Berlin, 17.2.2022
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Frau Bundesministerin des Auswärtigen,
sehr geehrter Herr Bundesminister der Finanzen,
wir begrüßen, dass die Bundesregierung trotz lauter werdender Forderungen
Waffenlieferungen an die Ukraine weiterhin konsequent ablehnt. Wir teilen die zuletzt von
Ihnen, Herr Bundeskanzler, nochmals bekräftigte Sicht, dass Deutschland keine Waffen in
Krisengebiete liefern sollte.
Die Entwicklungen der letzten Monate haben dazu geführt, dass die Sorgen vor einer
direkten militärischen Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine stetig zugenommen
haben. Vor diesem Hintergrund hat in den letzten Wochen eine öffentliche Diskussion
eingesetzt, ob deutsche Waffenlieferungen einen Beitrag zur Beilegung des Konflikts leisten
können. Manche Befürworter*innen solcher Lieferungen treibt die Sorge um die territoriale
Integrität der Ukraine und das Leben der Menschen dort um.

Andere Befürworter*innenhingegen haben ein erkennbares Interesse daran, dass die Bundesrepublik über solche
Waffenlieferungen deutlich stärker Partei im russisch-ukrainischen Konflikt ergreift.
Auch die unterzeichnenden Organisationen verfolgen mit großer Sorge die gegenwärtigen
Entwicklungen. Wir sind aber überzeugt, dass Deutschland mit seiner Verankerung im
Westen und zugleich besonderen Beziehungen zu Russland einen wesentlichen Beitrag zur
Lösung der aktuellen Krise mit Diplomatie, nicht aber mit Lieferung von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern leisten kann.

Die Ukraine hat seit 2014 militärische Ausrüstung im Wert von mehreren Milliarden Euro von
verschiedenen Nato-Staaten erhalten. De facto konnte durch diese Aufrüstung die
Zuspitzung der Krise in den letzten Monaten nicht verhindert werden. Der Einstieg in diese
gescheiterte Strategie – sprich die Lieferung von Kriegswaffen auch aus Deutschland – wäre
somit ein vollkommen falsches Signal. Sicher ist zudem, dass ein solcher Schritt das
Gespräch mit der russischen Führung erheblich belasten würde, und somit ein klar
erkennbarer diplomatischer Nachteil bilanziert werden müsste.

Dies gilt auch für sogenannte “Defensivwaffen”, deren Lieferung immer wieder gefordert
wird. Darin, dass eine Unterscheidung zwischen Waffen defensiver und offensiver Natur
militärisch nicht begründbar ist, sind sich Beobachter wie der Ex-Generalinspekteur der
Bundeswehr, Harald Kujat (HR2 – „Der Tag“: „Helme statt Waffen – Deutsche
Rüstungsexporte“, 2.2.2022), und die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages
(Kurzinformation Wissenschaftliche Dienste: „Exportrestriktionen für „defensive“ und
„offensive“ Waffen“, 6.9.2019) mit uns und vielen anderen einig. Anders gesagt: Es gibt keine
guten/defensiven Waffen, die man mit besserem Gewissen liefern könnte.

AuchPanzerabwehrwaffen und Luftabwehrsysteme können einen Konflikt eskalieren lassen. Dies
dürfte auch den meisten der Personen bewusst sein, die solche Lieferungen fordern.
Deutschland hat bisher keine Waffen an die Ukraine geliefert und damit den Grundsätzen für
eine restriktive Rüstungsexportpolitik in diesem Fall entsprochen. Wir teilen Ihre Bewertung,
dass sich eine weitere Zuspitzung des Konflikts nur durch diplomatische Mittel verhindern
lässt. Vor diesem Hintergrund appellieren wir an Sie, an Ihrer Position festzuhalten, diese
konsequent weiterzuverfolgen und keine deutschen Rüstungsgüter in Konfliktregionen wie
die Ukraine zu liefern. Unsere Unterstützung und die einer großen Mehrheit der Bevölkerung
dafür haben Sie.

Mit freundlichen Grüßen